Monat: Dezember 2016

Ich freue mich drauf…

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Das neue Jahr liegt vor mir wie ein unbeschriebenes Blatt. Ich darf es prägen, füllen, gestalten. Ich freue mich darauf.

Wenn ich hineingehe, will ich mit leichtem Gepäck starten. Manches werde ich nicht mitnehmen. Vielleicht kann ich mich von manchen alten Sorgen, Lieblingslasten, Verletztheiten trennen?

Bianka Bleier

Wertschätzung…

baeume

Alle kleinen Tännlinge im Wald, träumen davon, eines Tages Weihnachtsbäume zu werden. Mit diesem strahlenden, fröhlichen Traumbild vor Augen ertragen die jungen Tannenbäume in aller Geduld den scharfen Biss der Axt und die endlosen Stunden, die sie zusammengezwängt im Güterwagen liegen. Nun werden aber alljährlich  im Dezember mehr Bäumchen gefällt, als man für das Weihnachtsfest gebrauchen kann.

Unser Tännling war ein schöner, gutgewachsener junger Bursche, aber für sein Alter zu schnell in die Höhe geschossen. Seine Zweige waren ziemlich sparrig. Wenn man ihn stehen gelassen hätte, wäre er eines Tages ein ungewöhnlich großer Baum geworden; jetzt jedoch war er im ungeschickten Alter und hatte nicht den sanft abnehmenden Kerzenwuchs und das dichte, gleichmäßige Nadelkleid, das die Menschen an ihrem Weihnachtsbaum besonders gern haben. Was aber besonders schlimm war: anstatt, dass er in einer schlanken, richtigen Spitze endigte, war sie oben ein bisschen schief und sogar gegabelt.

„Ich werde prachtvoll aussehen“, dachte der Tannenbaum. „Hoffentlich sind auch Kinder da, die mich bewundern!“

Doch Tag um Tag verstrich; die Tannenbäumchen wurden eines nach dem anderen verkauft, und er begann, sich Sorgen zu machen. Denn jeder, der ihn sah, bedachte ihn mit einem unfreundlichen Wort. „Zu groß“, sagte eine Dame. „Nein“, sagte ein anderer, „der da geht gar nicht, die Zweige sind zu dürftig.“ Dann wurde er einer Frau gezeigt, die einen billigen Baum kaufen wollte. Der Händler reduzierte den Preis unseres Baumes um ein Drittel. Doch selbst sie wollte den Baum nicht haben.

Und dann kam der Heilige Abend. Spät am Abend, als alle Läden schon geschlossen hatten, kam der Händler um aufzuräumen. Die Holzgitter, die zerknickten Stechpalmenzweige, leere Fässchen und unser Tannenbaum mit ein zwei anderen, die nicht verkauft worden waren, wurden allesamt in den Keller geworfen.

Am Tage nach Weihnachten, kam ein Mann und wollte ein paar grüne Zweige, um ein Grab zuzudecken. Der Händler nahm die Axt und packte die Bäumchen, ohne lange zu fackeln. Sie waren schon zu niedergeschlagen, um sich noch große Gedanken zu machen. Zack, Zack, Zack machte die Axt, und die würzig duftenden Zweige wurden fortgetragen. Die kahlen Stämme warf der Händler in einen Winkel…

Darum haben wir dieses Jahr beschlossen, einen Baum zu wählen, der sich von allen anderen Bäumen durch seine Einzigartigkeit unterscheidet. Er hat oben wenige Äste und unten zu viele. Seine Spitze ist schief und der Rest des Baumes entspricht auch nicht der Norm. Wir haben uns gemeinsam für diesen Baum entschieden und den ganz normalen Preis bezahlt, weil der Baum es wert ist! Wir freuen uns, dass dieser besondere ehemalige „Waldbewohner“ mit uns das Weihnachtsfest feiert.

Wer sagt, was schön ist und was nicht? Wer gibt die Vorgabe zu „normal“ und „abnormal“? Sind wir nicht alle besonders und einzigartig? Jedes Lebewesen ist wertvoll so wie es ist. Schluss mit Perfektion, die unter Druck setzt und uns schwächt. Erhöhen wir die Toleranz für uns und für andere…

Es wird Weihnachten!

kranz

Mein ganzes Haus riecht nach braunem Kuchen – versteht sich nach Mutters Rezept -, und ich sitze sozusagen schon seit Wochen im Scheine des Tannenbaums. Ja, wie ich den Nagel meines Daumens besehe, so ist auch der schon halbwegs vergoldet.

Theodor Storm

Wie oft ist Überfluss überflüssig?

kiefer

Vor dem Mann stand ein Glas Wasser. Es war zu drei Vierteln gefüllt. Gierig griff er danach und stürzte das Wasser den Rachen hinunter. Er hatte es noch nicht vollständig geleert, da griff er schon wieder nach der Karaffe und füllte es auf. Er goss es so voll, dass das Wasser überschwappte.

„Wäre es nicht sinnvoller, erst auszutrinken und dann nachzugießen?“, unterbrach in ein alter Mann. „Du verschüttest ja alles.“

„Meine Kehle ist so trocken wie Schmirgelpapier“, keuchte der Mann und nahm wieder einen großen Schluck. „Der Weg hierher war weiter, als ich dachte. Stunden bin ich marschiert, ohne einen  einzigen Tropfen Wasser.“

„Dein Durst wird nicht rascher gestillt, wenn du die Hälfte des Wassers verschüttest.“

Wieder nahm der Mann die Karaffe und goss das Glas so voll, dass das Wasser überlief.

„Wie lange dengelst du eine Sense?“, fragte der Alte.

„Wie lange ich eine Sense dengele? Bis sie so scharf wie möglich ist!“

„Würde es nicht ausreichen, sie so lange zu hämmern, bis sie scharf genug ist?“

„Wie meinst du das?“

„Na, bis sie scharf genug ist, um ihren Zweck zu erfüllen. Scharf genug, um Getreide zu ernten. Wenn du die Sense schärfer machst, als sie sein muss, bedeutet das nicht, dass sie länger scharf bleibt. Du nutzt nur das Metall schneller ab und gehst die Gefahr ein, dich leichter daran zu schneiden.“

Der Mann hob seinen Kopf und drehte sich zum Alten um. „Ich verstehe immer noch nicht!“

„Ein Glas ist für eine bestimmte Menge von Wasser gefertigt. Du produzierst Überfluss. Du machst das Glas voller, als es verträgt. Zu voll. Und wenn du die Sense schärfer machst, als nötig, ist das ebenso überflüssig. Achte den leeren Raum – Wisse, wann es genug ist! Das gute Leben stellt sich ein, wenn man gerade genug hineingelassen hat und sich noch leeren Raum bewahrt. In einem überfüllten Leben hat nichts mehr Platz. Wenn du deine Aufmerksamkeit auf den leeren Raum richtest, wirst du wahrnehmen, dass alles, was du hast, genügt.“

„Was meinst du damit?“

„Ich will dir sagen: Neuen Möglichkeiten Raum zu schenken, ist genauso wertvoll wie Erreichtes.“

„Vom Mann, der auszog, um den Frühling zu suchen“

Clara Maria Bagus

 

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